Mittwoch, 30. Januar 2013

Warum man die Finger von EMS lassen sollte!



EMS = Electric Muscle Stimulation

EMS als Trend für die breite Masse
Ich hätte diesen Artikel schon viel eher schreiben sollen. Denn der neuste Trend in der Fitnesswelt heißt EMS (elektronische Muskelstimulation) und er scheint sich bedrohlich schnell zu verbreiten.

Was ist EMS?
Zunächst zum Prinzip von EMS: Wie der Name schon sagt, handelt es sich hier um das Prinzip, dass durch Elektrik, also durch Strom ein künstlicher Kontraktionsimpuls im Muskel hervorgerufen wird. Die Idee ist im Grunde nicht schlecht, denn wenn wir einen oder mehrere Muskeln in Bewegung setzen oder anspannen, passiert eigentlich nichts anderes, als dass unser Gehirn kleine Stromimpulse durch unsere Nervenbahnen schickt, die den Muskel ansteuern und biochemische Reaktionen auslösen, die den Musekel schließlich zur Kontraktionen bringen. Es ist also gar nicht so fern, wenn man auf die Idee kommt, äußerlich Elektroden an den Körper zu setzen, um einen ausgewählten Muskel zur Kontraktion zu zwingen. Und laut mancher Studien ist es auch tatsächlich möglich einen überschwelligen Reiz damit zu setzen. Wird ein solcher Reiz gesetzt, kommt es in den beanspruchten Strukturen zu Anpassungsreaktionen. Dabei wird nicht nur die Bereitschaft zur Erbringung des gleichen Leistungsniveaus wiederhergestellt, sondern im Verlaufe der Erholung (Regeneration) die Leistungsfähigkeit über das ursprüngliche Niveau hinaus gesteigert und über einen bestimmten Zeitraum auf diesem Niveau gehalten. Das kann in Form von Muskelfaserverdickung (Hypertrophie) entstehen. Normalerweise werden Gewichte gestemmt (Grundprinzip sind 4 Serien a 8-10 Wiederholungen) und keine Stromimpulse ausgehalten, um dieses Muskelwachstum zu erzielen.

EMS in der Reha, Physiotherapie
Die Stromimpulse-Therapie ist schon sehr lange bekannt und wird in der Reha und in der Physiotherapie angewendet, um bei verletzungsbedingter Unbeweglichkeit dem Muskelschwund (Atrophie) entgegenzuwirken. Grundsätzlich versucht man aber den Patienten so schnell wie möglich vom EMS weg zu bekommen, sobald die Verletzung einigermaßen verheilt ist. Er soll sich nämlich wieder an die natürliche Bewegung gewöhnen und das Gelenk auch wieder belasten.

Zielgruppe und Versprechen von EMS-Studios
Der neue Trend von EMS geht aber in eine ganz andere Richtung. Menschen die wenig Zeit und Lust haben zum Sport zu gehen, werden ins EMS-Studio gelockt. Es wird damit geworben, dass ein 20min EMS-Training den gleichen Effekt wie dreimal die Woche 1 1/2 Std. im Fitnessstudio hat. Der Effekt sei wesentlich höher als bei einem normalen Krafttraining, da gleichzeitig mehr Muskelfasern kontrahiert und tiefer liegende Muskeln angesprochen werden sollen. Man soll dabei auch Fett verbrennen können. Es wird behauptet, dass der Reizstrom auch langfristig keine Nebenwirkungen hat und sich EMS somit als langfristige Trainingsart anbietet.
Für einen typischen Büromenschen, der nach der Arbeit einfach zu müde oder zu motivationslos ist um ordentlich Sport zu treiben, klingt diese Methode natürlich sehr verlockend.

Warum EMS nicht als Trainingsmethode geeignet ist
Ich möchte hier keine Zahlen oder Effektivitätsprozent von Reizstrom debattieren, sondern Ihnen klar machen, dass EMS-Training das konventionelle Krafttraining nicht ersetzen kann und welche Konsequenz ein solches EMS-Training haben kann.
Zunächst sollte man darüber nachdenken warum man überhaupt Sport macht. Der größte Anteil der Menschen macht ihn nicht aus purer Freude. Nein, sie quälen sich eher. Denn sie treiben Sport nur aus zwei Gründen, aus ästhetischen oder aus gesundheitlichen. Manchmal sogar aus beiden. Anders gesagt, sie wollen Fett verbrennen und Muskeln aufbauen, weil es einfach besser aussieht oder weil sie ihre Gesundheit verbessern bzw. erhalten wollen. Und genau diese Menschen sind potenzielle „Opfer“ für EMS.

Der Gesundheitliche Aspekt von EMS

Gelenke
EMS verspricht besonders schonend für Gelenke zu sein. Falsch! Kurzfristig mag das ja stimmen, weil EMS die Gelenke überhaupt nicht belastet. Dass ein Arzt einem rät nach der Verheilung einer Verletzung das Gelenk bzw. den Knochen wieder langsam zu belasten hat einen Sinn! Denn der Körper baut alles ab was er nicht benötigt. Wird ein Gelenk durch Mangel an Bewegung nicht belastet, wird der Körper das Gelenk, nein sogar Bänder, Sehnen, Knochendichte, Knorpel und Schleimbeutel abbauen und nur für die leichten gewohnten Bewegungen auslegen. Sprich das Gelenk wird bzw. bleibt schwach. Jetzt wächst aber der Muskel durch EMS an. Der Muskel wird leistungsfähiger und kräftiger. Wie lange wird es wohl dauern bis ein Oberarmmuskel für 30kg ausgelegt ist, das Gelenk aber nur weniger verträgt. Die Chance, dass sich der „EMS-Mensch“ durch seine künstlich antrainierten Muskeln überschätzt und sich dadurch eine Gelenkverletzung zuzieht ist recht hoch.

Natürliche Bewegung des Körpers und Dysbalancen
Viele Menschen verletzen sich im Alltag, weil sie nicht wissen wie man schwere Lasten bewegt. Ein Wasserkasten kann für einige schon eine schwere Last bedeuten. Dieser wird dann mit krummem Rücken und schwunghaften Bewegungen nach oben gestemmt und so schnell wie möglich an sein Ziel getragen.
Wie man allein eine schwere Last hebt, lernt man im Fitnessstudio. Die funktionellste und beste Übung dafür ist das Kreuzheben. Bei dieser Übung ist die Haltung und der genaue Bewegungsablauf wichtig. Stimmt dieser Bewegungsablauf, kann ein trainierter Mensch sogar sehr schwere Lasten ohne großes Risiko heben und bewegen. Wichtig dafür ist aber, dass die Muskeln und Gelenke/Knochen in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Das Kreuzheben ist die gesündeste und natürlichste Bewegung des Körpers ein Gewicht vom Boden zu heben. Gibt es Dysbalancen zwischen den Muskeln, wird der schwächste Muskel limitierend wirken. Ein zu schwacher Rücken wird nicht in der Lage sein, das Gewicht zu realisieren auch wenn die Beine stark genug dafür wären. Bei längerem und richtigem Training wird das Muskel- und Gelenkverhältnis automatisch korrigiert.

EMS wirbt damit, dass es gesund sei, weil jeder Muskel einzeln trainiert werden kann und somit Dysbalancen ausgeglichen werden können. Ganz im Gegenteil, weil jeder Muskel einzeln und isoliert trainiert wird, können leicht Dysbalancen entstehen. Eine Dysbalancenanalyse  ist sehr aufwendig und kompliziert und wird in der Regel nur von höher ausgebildeten Fitnesstrainern, Physiotherapeuten oder Ärzten durchgeführt. Außerdem wird eine Dysbalancenanalyse von den Standard EMS-Studios nicht angeboten.
Als weiterer „Vorteil“ von EMS wird behauptet, dass tiefer liegende Muskelfasern im Gegensatz zum Gewichtstraining angesteuert werden können. Fakt ist, dass Muskeln übereinander liegen. Somit gibt es tiefer liegende Muskeln. Wird eine Last gehoben, aktiviert der Körper alle Muskeln die für die Bewegungsform nötig sind. Dazu zählen auch die stabilisierenden Muskeln sog. Synergisten. 
Bei EMS wird der Strom für die Muskelanspannung über die Haut in den Muskel geleitet. Ganz davon abgesehen ob der menschliche Körper gut Strom leitet, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Reizstrom einen tiefer liegenden Muskel besser aktivieren kann als eine natürliche Bewegungsform. Und wenn das der Fall wäre, dann wäre es offensichtlich unnatürlich und würde sogar zu intramuskulären Dysbalancen führen. Zudem kommt hinzu, dass es sich bei EMS nur um eine isometrische Muskelanspannung handelt. Eine konzentrische und exzentrische Muskelbewegung welche bei der Flexion (Beugung) und Extension (Streckung) eines Körperglieds entsteht, wird nicht hervorgerufen.

Gewichts- und Fettreduktion
Die Gewichts- und Fettreduktion von der die EMS-Studios sprechen ist sonderlich klein. Jeder Mensch, der Sport macht und seine Muskeln zu einer Kontraktion zwingt, verbrennt natürlich mehr Kalorien. Irgendwo muss die Energie ja herkommen, die man bei der Muskelkontraktion benötigt. Eine größere Muskelmasse hebt logischerweise auch den Grundumsatz an, da die Muskeln auch bei Alltagsbewegungen mehr verbrennen. Trotzdem wird man durch EMS nicht sonderlich viel Fett verbrennen. Der Muskel zieht seine Energie beim Krafttraining nämlich überwiegend aus anderen Energiespeichern (ATP, CP und Glykogen). Diese Energieformen werden hauptsächlich aus Kohlenhydraten gewonnen. Fette werden effektiv erst zur Energieversorgung herangezogen, wenn eine Belastung länger als 30-60min dauert und die Belastungsintensität gering ist. Die Verstoffwechselung von Fetten ist nur aerob möglich und dient dazu, die wertvollen Kohlenhydratspeicher zu schonen. Je geringer die Intensität und je höher der Ausdauerfaktor ist, desto mehr Fette werden zur Energiegewinnung herangezogen. Eine Ausdauereinheit von 45-60min ist also unersetzbar, da Stromimpulse den biochemischen Kreislauf der Energieversorgung des Körpers nicht einfach aushebeln können.

Antidrome Reizleitung
EMS führt bekanntlich zu einer antidromen (rückwärts gerichteten) Reizleitung. Die funktionsweise des Nervensystems ist sehr komplex und kann leicht gestört werden. Im Buch Angewandte Physiologie 5. Komplementäre Therapien verstehen und integrieren vom Thiemeverlag werden diverse physikochemische Störungen in Zusammenhang mit unnatürlicher antidromer Reizleitung beschrieben und erklärt. Bekanntlich macht man unteranderem antidrome Reizleitungen im Hirn für die Parkinsonkrankheit verantwortlich. Persönlich würde ich mich daher nur von Ärtzen mit EMS behandeln lassen.

Wofür eignet sich EMS?
EMS eignet sich nur für die Reha z.B. beim Aufbau von Muskulatur nach Verletzungen und muss von wirklich hochqualifiziertem Fachpersonal bedient werden.  Eine genaue ärztliche Untersuchung oder eine Muskeldysbalancenanalyse ist bei längerer Anwendung nötig.
Auch mir war es in den Sinn gekommen EMS als Trainingsergänzung für Bodybuilder zu gebrauchen. Grundsätzlich spricht nichts dagegen EMS 2-4 Wochen vor einem Wettkampf einzusetzen. Aber die meisten Studien betonen, dass EMS hauptsächlich bei atrophierten oder gelähmten Muskeln hilft. Und wenn ich mir den sportlichen Zustand des Durchschnitts-Deutschen angucke, wird EMS wohl auch bei ihm anfangs Erfolge erzielen. Dennoch, jedes Muskelwachstum das durch EMS hervorgerufen wird,  führt auf Dauer zu einem gestörten Verhältnis zwischen Muskelkraft und Belastungsfähigkeit der Gelenke, Knochen, Bänder und Sehnen. Gerade Bodybuilder heben tägliche mehrere hundert Kilos. Wenn die Gelenke  etc. sich der Kraftleistung nicht anpassen können, wird es früher oder später mit Garantie zu Sportverletzungen kommen.
Leider untermauern die EMS- Studios ihre Konzepte immer wieder mit Aussagen von Ärzten oder Sportwissenschaftlern, um das Vertrauen des Kunden zu erlangen. Es wird aber lediglich immer wieder bestätigt, dass die Trainingsmethode erfolgreich in der Medizin angewandt wird und die Gelenke schont. Aber Nebenwirkungen und die oben benannten Aspekte werden grundsätzlich verschwiegen oder gekonnt umschifft.

Warum sich EMS dennoch rasend schnell verbreitet
Achtung: Der nachfolgende Text beinhaltet konkrete persönliche Meinung und sollte auch dementsprechend aufgefasst werden.
Leider ist die Faulheit des Menschen eine Geldgrube und bietet immer wieder Möglichkeiten für gewinnbringende Geschäftsideen. Sofern die Vermarktung stimmt, kann man dem Menschen fast alles andrehen. In Punkto Vermarktung verdienen die EMS-Studios alle großen Respekt. Es ist schon erstaunlich, wie manche Unternehmen die Aussagen von Ärzten, Sportwissenschaftlern, Physiotherapeuten so hinstellen, dass ihr Produkt ins rechte Licht gerückt wird. Das ist zum Teil so erstaunlich, dass ich persönlich davon ausgehe, dass manche Aussagen einfach erkauft sind. Schließlich klingt das alles nach Werbung. Wer immer noch glaubt, das EMS eine Trainingsalternative ist, der muss auch glauben, dass „Actimel Abwehrkräfte aktiviert, dass Nimm2 Fruchtgummis eine gesunde Süßigkeitsalternative für ihre Kinder sind und Milchschnitte ein super gesunder,  leichter Fitness-Snack ist.“ – siehe die Verleihung des Goldenen Windbeutels (Preis für die dreistesten Werbelügen).
Die Nebenwirkungen des EMS-Trainings zeigen sich natürlich nur schleichend und können im Nachhinein wahrscheinlich nur schwer zurückverfolgt werden. Im besten Fall wird das EMS-Training so gering gehalten, dass sich körperlich nicht viel ändert. Dann war es zumindest nicht schädlich, dafür aber Zeit- und Geldverschwendung.

Emails von Lesern/-inen
Und zu aller Letzt möchte ich noch erwähnen, dass ich auf die Reaktion meines ersten Artikels zu EMS, einige Emails von Lesern erhalten habe, die sich tatsächlich Verletzungen vom EMS-Training zugezogen haben und jetzt rechtliche Schritte in die Wege geleitet haben. 

Ich bin weiterhin sehr interessiert an euren Erfahrungen mit EMS und würde mich freuen wenn ihr diese unten in die Kommentare schreibt. Oder schreibt mir eine Email an  dan.kummert(at)googlemail.com

Das Verkaufsmodell und die erwähnten Versprechungen der EMS-Studios wurden folgender Quelle entnommen: www.bodystreet.de

Warum meine Oma power lifts macht!



Krafttraining im Alter
Die Altersverteilung in den meisten Fitnessstudios ist immer gleich. Der Freihantelbereich wird von den jungen Wilden dominiert, der Cardiobereich von den Frauen und die älteren Herrschaften ab 50 aufwärts sind, von ein paar Cardiogeräten abgesehen, ausschließlich im geführten Gerätebereich aufzufinden oder machen leichte Walking-Sessions.
Entgegen dem allgemeinen Glauben, dass ältere Menschen kein intensives Krafttraining machen sollten, belegen viele aktuelle Langzeitstudien, dass Krafttraining im Alter essentiell ist [1]. Und mit Krafttraining meine ich unteranderem auch Kreuzheben, Kniebeuge, Bankdrücken, vorgebeugtes Rudern und Latziehen.

Kraft im Alter
Die Kraft ist ein ausschlaggebender Faktor in Bezug auf Selbstständigkeit und Lebensqualität. Ohne ein entsprechendes Kraftniveaus, werden sogar Alltagsaufgaben zur Herausforderung. Oft können viele Menschen im Alter ihren Alltag ohne fremde Hilfe gar nicht mehr bewältigen.
Untersuchungen ergaben, dass sich im Alter von 30 bis 80 Jahren die Muskelkraft in Rücken, Beinen und Armen um 30-40% verringert [2; 3].
Jette und Branch [4] stellten in ihrer Studie fest, dass ab dem Alter von 74 Jahren, 28% der Männer und 66% der Frauen in den USA ein Gewicht von über 4,5 kg nicht mehr heben können.
So bitter das auch klingt, so erfreulicher ist die Nachricht, dass man mit dem richtigen Training auch im hohen Alter etwas dagegen tun kann.

„Use it or lose it“
Viele Studien (siehe Referenzen) empfehlen, diesen Satz zu einem wichtigen Bestandteil der Lebensphilosophie zu machen. Denn, was nicht beansprucht wird, baut der Körper auf ein Minimum zurück. Das gilt nicht nur für Muskeln, sondern auch für Gelenke und Knochendichte.

Knochendichte
Ab dem Alter von 50 Jahren reduziert sich die Knochendichte erheblich (Osteoporose). Eine Abnahme an Kraft und Knochendichte führt früher oder später automatisch zu Stürzen oder Verletzungen.
Studien [16, 19, 20, 21, 22] beweisen, dass das Langzeit-Widerstandstraining, der Abnahme der Knochendichte sehr gut entgegen wirkt.

Beweglichkeit
Auch die Beweglichkeit reduziert sich laut Studien [4; 5; 6] im Alter von 30 bis 70 Jahren um 20-30%. Regelmäßige physische Übungen, die Gelenke in ihrer ganzen Bewegungsamplitude (full range of motion) beanspruchen (z.B. die Kniebeuge), führen laut [8] mit der Zeit zu einer Verbesserung der Beweglichkeit. Ein Mangel an Beanspruchung führt zu Verkürzungen der Muskulatur und des Bindegewebes. Um die Beweglichkeit des Gelenks zu erhalten, empfiehlt sich ein Freihanteltraining in Kombination mit Stretching und Schwimmen.

Ungefährlich
PhD. Kent J. Adams [9] erwähnt, dass freie, mehrgelenkige Übungen wie Kreuzheben und Kniebeuge, ungefährlich für ältere Männer und Frauen sind, sofern die Technik richtig erlernt worden ist. Dennoch sollte man mit leichten Gewichten beginnen und sich dann mit der Zeit stetig aber kontrolliert steigern. Empfehlung: 3 Serien à 10 bis 12 Wiederholungen.

Fazit
Widerstandstraining ist unverzichtbar für Menschen ab 50 Jahren, die ihre unabhängige Lebensweise beibehalten möchten und eine frühzeitige Betreuung in Wohnheimen verhindern möchten.
Gerade ältere Menschen bemerken die Erfolge eines Trainings recht schnell und sind besonders dankbar, da einfachste Tätigkeiten im Alltag keine Probleme mehr bereiten.  Oft entwickeln sie eine erstaunliche Eigendynamik. Dennoch benötigen diese Personen eine sehr intensive Betreuung im Training. Wo junge Menschen fehlerhafte Übungsausführungen mit ihrem jungen Körpern (zum Teil) kompensieren können,  kann dies für ältere Menschen fatal enden.

Exemplarstudien:
-          O’Shea [10]: Ein früherer Gewichtheber untersuchte, wie viel Kraft er nach 24 Jahren Trainingslosigkeit mit intensiven Trainingseinheiten entwickeln könnte. Das Ergebnis war erstaunlich. Es gelang ihm mit 60 Jahren immer noch 240kg beim Kreuzheben, 215kg bei der Kniebeuge und 105kg beim Bankdrücken zu stemmen. Dabei machten ihm weder seine Gelenke zu schaffen, noch zog er sich Verletzungen zu.

-          Klitgaard [11; 12]: Man untersuchte  Schwimmer, Läufer und  Kraftsportler im Alter von 70 Jahren, die im Schnitt 14 Jahre lang, 3mal die Woche  trainiert hatten und verglich sie mit „durchschnittlichen“ 28-Jährigen. Das maximale isometrische Drehmoment (Maximalkraft) und die Muskelquerschnittfläche wurden im CT-Scan gemessen. Die Ergebnisse der Schwimmer und Läufer waren gleich. Nur die Kraftsportler waren gleichauf mit den 28-Jährigen.  Die besten Ergebnisse erzielten die, die kurzes, intensives, hochlastiges Widerstandstraining machten.

-          Frontera [13]: Er und sein Team untersuchten 60 bis 72-Jährige und ließen sie 12 Wochen lang bei 80% ihres Maximalgewichts von 1 Wiederholung trainieren. Der Trainingsumfang begrenzte sich auf die Beinmuskulatur, aber betrug dreimal wöchentlich  mit drei Serien à 8 Wiederholungen. Die Ergebnisse zeigten eine Zunahme der dynamischen Kraft des Oberschenkels um 107%  und des Beinbizeps um 226%.

-          Fiatarone [14]: Sein Team untersuchte 86 bis 96 Jährige und ließ sie ebenfalls ein progressives Hypertrophie-Training (drei Serien à 8 Wdh. bei 80% der Maximalkraft) machen. Sie stellten eine Kraftzunahme von 174%, aber eine Kraftabnahme von 32% nach Ablegung des Trainings fest. Eine Person benötigte keine Gehstütze mehr und eine andere konnte wieder ohne fremde Hilfe aus dem Stuhl aufstehen. Die Forscher erkannten, dass das Risiko eines Sturzes und die unschönen Folgen der  Immobilität, das geringe Verletzungsrisiko des Krafttrainings weit in den Schatten stellt.

-          Conroy [15] erkannte in seiner Studie, dass ältere Menschen ihre eigenen Fähigkeiten unterschätzen. Auch von deren Physiotherapeuten werden leichtes Krafttraining und sporadische Übungen vollkommen überbewerten.

Maschine vs. Freihantel-Training
Die Diskussion über Maschinen- und Freihantel-Training hat eine lange Geschichte. Aber die Literatur unterstützt, dass Freihantel-Training eine übergeordnete Rolle beim Aufbau von Kraft spielt. 
Die Nachteile der geführten Maschinen sind profund. Denn egal wie gut eine Maschine eingestellt wird, die Drehachsen von Maschine und menschlichem Gelenk, sowie der natürliche Bewegungsablauf der Physiologie können nie genau genug kalibriert und nachgeahmt werden, da der Mensch individuell ist. Geführte Maschinen übernehmen außerdem einen Großteil der Stabilisation, der Gleichgewichtshaltung und der neuromuskulären Koordination des Menschen. Diese Aspekte werden daher nur geringfügig trainiert; dabei sind sie von großer Bedeutung (siehe Studien). Schließlich will man eine Last im Alltag ja auch richtig stabilisieren können.
Maddolozzo [16]: Männer sowohl als Frauen wurden einem moderaten Maschinentraining und intensivem, mehrgelenkigem Freihantel-Training unterzogen. Nach 6 Monaten konnte bei den Probanden des Freihantel-Trainings eine signifikante Verbesserung der Knochendichte an Hüfte, Wirbelsäule und Beinen festgestellt werden. Die Probanden des moderaten Maschinentrainings wiesen keine signifikanten Verbesserungen auf.
Obwohl sich das Training an geführten Maschinen positiv auf die Kraftentwicklung ausübt, sind freie Gewichtsübungen auch im Alter effektiver. Der Trend des „maschinendominierten“ Trainings bei älteren Menschen, ist sowohl auf den Kenntnis- und Erfahrungsmangel  der angewandten Wissenschaft früherer Tage zurückzuführen, als auch auf die Unsicherheit und Angst vieler Trainer, mit älteren Menschen zu arbeiten, da diese selbstverständlich ein höheres Verletzungsrisiko aufweisen. 
Um den altersbedingten Kraftverlust zu verlangsamen oder sogar aufzuhalten, sind Übungen an Maschinen, sowie eingelenkige Freihantelübungen ineffektiv. Nur mehrgelenkige, funktionale, power-type Übungen erfüllen den Zweck richtig. Diese Übungen entwickeln Kraft, neuromuskuläre Koordination, Gleichgewicht und Beweglichkeit
Kreuzheben, Kniebeuge, Beinpresse, Bankdrücken, Rudern und Latziehen sind daher Schlüsselübungen für das Krafttraining , da sie viele Muskelgruppen beanspruchen und eine große Ähnlichkeit mit  physischen Alltagsaufgaben haben, wie Getränkekästen „schleppen“, Treppenstufen bewältigen, im Garten arbeiten oder typische Reparaturarbeiten am Haus.

Kraftausdauer
Trotz allem darf die Kraftausdauer im Training mit älteren Menschen nicht fehlen. Hierfür eignet sich ein Zirkeltraining in Kombination mit Gymnastischen Einheiten [59,60].

Allgemeine Zusammenfassung:
Zahlreiche Studien haben die Vorteile eines Krafttrainings deutlich bewiesen. Dabei empfehlen sie, mit Krafttraining so früh wie möglich zu beginnen, freie Gewichte zu gebrauchen, eher mit hoher Intensität als mit moderater zu trainieren und full-range large muscle group excercises = funktionelle mehrgelenkige Übungen, zu bevorzugen.


Referenzen
1.       Heyward, V.H. Advanced Fitness Assessment and Exercise Prescription. (2end ed.). Champaign, IL: Human Kinetics, 1984.
2.       Grimby, G., and B. Saltin. The aging muscle. Clin. Physiol. 3:209-218. 1983
3.       Thrash, K., and B. Kelly. Flexibility and strength training. J. Appl. Sport Sci. Res. 1(4):74-75. 1987.
4.       Jette, A.M., and L.G. Branch. The Framingham disability study: Physical disability among the aging. Am. J. Public Health. 71:1211-1216, 1981
5.       Chapman, E.A., H.A. deVries, and R. Swezey. Joint stiffness: Effects of exercise on young and old men. J. Gerontol. 27(2):218-221. 1972.
6.       Johns, R.J.,and V. Wright. Relative importance of various tissues in joint stiffness.  J. Appl. Physiol. 17:824-828. 1962.
7.       Smith, E.L. Exercise in the elderly to prolong and improve the quality in life. In: Future Directions in Exercise and Sport Science Research. J.S. Skinner, C.B. Corbin, D.M. Landers, P.E. Martin, and C.L. Wells, eds. Champaign, IL: Human Kinetics, 1989. Pp. 259-266.
8.       Hutton, R.S. Neuromuscular basis of stretching exercises. In: Strength and Power in Sport. P.V. Komi, ed. Boston, MA: Blackwell Scientific 1991. Pp. 39-63.
9.       Kent Adams, PhD. Aging: Its Effects on Strength, Power, Flexibility and Bone Density. In: National Strength & Conditioning Association Vol. 21, Numb2, pages 65-77.1999.
10.   O’Shea, J.P. Scientific Principles and Methods of Strength Fitness. Boston, MA: Addison Wesley, 1976.
11.   Klitgaard, H., A. Brunet, R. Marc, H. Monod, M. Mantoni, and B. Saltin. The aging skeletal muscle: Effect of training on muscle force and mass. Int. J. Sports Med. 10:93-94. 1989.
12.   Klitgaard, H., M. Mantoni, S. Schiaffinpo, S. Ausoni, L. Gorza, C. Laurent-Winter, P. Schnohr, and B. Saltin. Function, morphology, and protein expression of aging skeletal muscle: A cross-sectional study of elderly men with different training backgrounds. Acta Physiol. Scand. 140:41-54. 1990.
13.   Frontera, W.R., C.N. Mededith, K.P. O’Reilly, H.G. Knuttge, and W.J. Evans. Strength conditioning in older men: Skeletal muscle hypertrophy and improved function. J. Appl. Physiol. 64(3):1038-1044. 1988.
14.   Fiatarone, M.A., C.E. Marks, N.D. Ryan, C.N. Meredith, L.A. Lipsitz, and W.J. Evans. High-intensity strength training in nonagenarians: Effects on skeletal muscle. J. Am. Med. Assoc. 263(22):3029-3034. 1990.
15.   Conroy, B.P., W.J. Kraemer, C.M. Maresh, S.J. Fleck, M.H. Stone, A.C. fry, P.D. Miller, and G.P. Dalsky. Bone mineral density in elite junior Olympic weightlifters. Med. Sci. Sports Exerc. 25(10):1103-1109. 1993.
16.   Maddalozzo, G. Effects of Two Resistance Training Protocols on Insulin-Like Factors, Muscle Strength and Bone Mass in older Adults. PhD dissertation, Oregon State University, Corvallis, OR. 1998.
17.   O’Shea, J.P. The science of cross-training: theory and application for peak performance. Natl. Strength Cond. Assoc. J. 6:40-44. 1991.
18.   O’Shea, J.P. Quantum Strength and Power Training. Corvallis, OR: Patricks Books, 1996.
19.   Bassey, E.J., and S.J. Martin. Increase in femoral bone density in young women following high-impact exercise. Osteoporos. Int. 4:72-75. 1994.
20.   Chu, D.A. Jumping Into Plyometrics. Champaign, IL: Human Kinetics, 1991.
21.   Pyka, G., E.S. Lindenberger, S. Charette, and R. Marcus. Muscle strength and fiber adaptations to a year-long resistance training program in elderly men and women. J. Gerontol. 49(1)M22-M27. 1994.
22.   Snow-Harter, C., M. Bouxsein, B.T. Lewis, D.R. Carter, P. Weinstein, and R. Marcus. Effects of resistance training and encurance exercise on bone mineral status of young women: A randomized exercise intervention trail. J. Bone Miner. Es. 7:761-769. 1992.

Rückenschmerzen und der Gebrauch von Gewichthebergürteln im Training



Viele Sportler heben Gewichte oder führen (sportartspezifische) Bewegungen aus, die große Kräfte auf die Wirbelsäule ausüben. Oft sind Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich (unterer Rücken) nicht selten. Dies liegt aber daran, dass der moderne Mensch von heute meist zu schwache Muskeln rund um den unteren Rücken und Bauchbereich besitzt; dazu beigetragen haben vor allem sitzende Tätigkeiten und die Gewöhnung an Rückenlehnen. Der Lendenwirbelbereich wird somit zur Problemzone und wird aus Angst, sich dort zu verletzen, oft nicht belastet. Erst jetzt wird das Ganze zu einem echten Problem. Rückenschmerzen treten auf, weil man sich mit der Zeit ein Defizit an Beweglichkeit, Koordination und Muskulatur in  diesem Bereich eingehandelt hat. Anders gesagt, die Fähigkeit seine Wirbelsäule auch bei Belastung ordentlich zu stabilisieren, indem man unter anderem eigengenerierten Intraabdominalen Druck erzeugt, ist unzureichend ausgebildet. Hieraus resultiert mitunter auch eine schlechte Hebetechnik. Leider ist dies weit verbreitet, sogar unter Sportlern. Daher ist der Griff zum Gewichthebergürtel nicht selten.

Der Gewichthebergürtel gehört zur gängigen Ausstattung eines Fitnessstudios mit Freihantelbereich. Doch selten wird er richtig eingesetzt und eigentlich hat er im Training auch nichts zu suchen. Aber nicht nur in Deutschland genießt das Hilfsmittel eine große Beliebtheit, auch in den USA gehört er zum gängigen Training. Durchschnittlich nutzen 27% aller US-Amerikaner, die Mitglied in einem Fitnessstudio sind und aktiv Gewichte stemmen, einen Gewichthebergürtel. Davon sind 90% Männer und 10% Frauen. Das Durchschnittsalter liegt bei 34. Interessanterweise begründen 80% den Gebrauch damit, dass sie Verletzungen verhindern möchten und nur 15% wollen damit eine Leistungssteigerung bezwecken [4]. Das zeigt mir, dass es einen großen Erklärungsbedarf zu diesem Thema gibt.

Der Weg ins Fitnessstudio ist zwar der Richtige aber der Gewichthebergürtel und eine falsche Übungsausführung können tatsächlich schnell zu Verletzungen führen. 

Grund des Gebrauchs eines Gürtels ist es, mechanisch intraabdominalen Druck aufzubauen. Wird der Gürtel zu oft oder ständig bei Übungen wie Kniebeuge, Kreuzheben oder Vorgebeugtes Rudern benutzt, erfahren die tiefen abdominalen Muskeln keinen Reiz und somit auch kein ordentliches Training. Anders gesagt, der Gürtel nimmt einem die Arbeit ab. Die Muskulatur entwickelt sich nicht verhältnismäßig, die koordinative Fähigkeit bleibt aus und mit der Zeit steigt das Verletzungsrisiko [1]. 

Gewichthebergürtel sind nur sinnvoll, wenn man am Maximum trainiert, wie zum Beispiel Gewichtheber auf einem Wettkampf. Deshalb benutzen sie den Gürtel auch ausschließlich auf Wettkämpfen, und nicht im Training.

Trotzdem existieren Richtwerte, ab wann man sich von einem solchen Gürtel helfen lassen darf. Trainiert man mit einem Gewicht, das 80-85% des Maximalgewichts beträgt, ist ein Gürtel ggf. sinnvoll [1]. Wer aber mit solchen Gewichten trainiert, müsste jahrelange Erfahrung und die entsprechende Muskulatur mit sich bringen. Ist dies nicht der Fall, wird sich das Training ganz von selbst beenden.
Wer also mit einem Gewichthebergürtel trainiert, wird nicht die Fähigkeit erlernen echte Muskelspannung zwischen den tiefen und oberflächlichen Muskeln im Rumpf und vor allem rund um die Wirbelsäule zu erzeugen [3]. 

Referenzen
1.       R. Lee Howard, CSCS – Back Pain, Intra-Abdominal Pressure, and Belt Use – National Strength & Conditioning Association, Volume 21, Number 6, pages 42-43. 1999.
2.       Bogduk, N., and J. Macintosh. The applied anatomy of the thoracolumbar fascia. Spine. 9(2): 164-170. 1984.
3.       Harman, E.A., R.M. Rosenstein, P.N. Frykman, and G.A. Nigro. Effects of a belt on intra-abdominal pressure during weight lifting. Med. Sci. Sports Exerc. 21:186-190. 1989.
4.       Steven B. Finnie, Theresa J. Wheeldon – Weight Lifting Belt Use Patterns Among a Population of Health Club Members – Journals of Strength and Conditioning Research, 2003, 17(3), 498-502.