Krafttraining im Alter
Die Altersverteilung in den meisten
Fitnessstudios ist immer gleich. Der Freihantelbereich wird von den jungen
Wilden dominiert, der Cardiobereich von den Frauen und die älteren Herrschaften
ab 50 aufwärts sind, von ein paar Cardiogeräten abgesehen, ausschließlich im
geführten Gerätebereich aufzufinden oder machen leichte Walking-Sessions.
Entgegen dem allgemeinen Glauben, dass ältere
Menschen kein intensives Krafttraining machen sollten, belegen viele aktuelle
Langzeitstudien, dass Krafttraining im Alter essentiell ist [1]. Und mit
Krafttraining meine ich unteranderem auch Kreuzheben, Kniebeuge, Bankdrücken,
vorgebeugtes Rudern und Latziehen.
Kraft
im Alter
Die Kraft ist ein ausschlaggebender Faktor in
Bezug auf Selbstständigkeit und Lebensqualität. Ohne ein entsprechendes
Kraftniveaus, werden sogar Alltagsaufgaben zur Herausforderung. Oft können
viele Menschen im Alter ihren Alltag ohne fremde Hilfe gar nicht mehr
bewältigen.
Untersuchungen ergaben, dass sich im Alter von
30 bis 80 Jahren die Muskelkraft in Rücken, Beinen und Armen um 30-40%
verringert [2; 3].
Jette
und Branch [4] stellten in ihrer Studie fest, dass ab dem
Alter von 74 Jahren, 28% der Männer und 66% der Frauen in den USA ein Gewicht
von über 4,5 kg nicht mehr heben können.
So bitter das auch klingt, so erfreulicher ist
die Nachricht, dass man mit dem richtigen Training auch im hohen Alter etwas
dagegen tun kann.
„Use it or lose it“
Viele Studien (siehe Referenzen) empfehlen, diesen
Satz zu einem wichtigen Bestandteil der Lebensphilosophie zu machen. Denn, was
nicht beansprucht wird, baut der Körper auf ein Minimum zurück. Das gilt nicht
nur für Muskeln, sondern auch für Gelenke und Knochendichte.
Knochendichte
Ab dem Alter von 50 Jahren reduziert sich die
Knochendichte erheblich (Osteoporose). Eine Abnahme an Kraft und Knochendichte
führt früher oder später automatisch zu Stürzen oder Verletzungen.
Studien
[16, 19, 20, 21, 22] beweisen, dass das Langzeit-Widerstandstraining,
der Abnahme der Knochendichte sehr gut entgegen wirkt.
Beweglichkeit
Auch die Beweglichkeit reduziert sich laut Studien [4; 5; 6] im
Alter von 30 bis 70 Jahren um 20-30%. Regelmäßige physische Übungen, die
Gelenke in ihrer ganzen Bewegungsamplitude
(full range of motion) beanspruchen (z.B. die Kniebeuge), führen laut [8] mit der Zeit zu einer
Verbesserung der Beweglichkeit. Ein Mangel an Beanspruchung führt zu
Verkürzungen der Muskulatur und des Bindegewebes. Um die Beweglichkeit des Gelenks
zu erhalten, empfiehlt sich ein Freihanteltraining in Kombination mit Stretching und Schwimmen.
Ungefährlich
PhD. Kent J. Adams [9] erwähnt, dass freie, mehrgelenkige
Übungen wie Kreuzheben und Kniebeuge, ungefährlich für ältere Männer und Frauen
sind, sofern die Technik richtig erlernt worden ist. Dennoch sollte man mit
leichten Gewichten beginnen und sich dann mit der Zeit stetig aber kontrolliert
steigern. Empfehlung: 3 Serien à 10 bis 12 Wiederholungen.
Fazit
Widerstandstraining
ist unverzichtbar für Menschen ab 50 Jahren, die ihre unabhängige Lebensweise
beibehalten möchten und eine frühzeitige Betreuung in Wohnheimen verhindern
möchten.
Gerade ältere Menschen bemerken die Erfolge
eines Trainings recht schnell und sind besonders dankbar, da einfachste
Tätigkeiten im Alltag keine Probleme mehr bereiten. Oft entwickeln sie eine erstaunliche
Eigendynamik. Dennoch benötigen diese Personen eine sehr intensive Betreuung im
Training. Wo junge Menschen fehlerhafte Übungsausführungen mit ihrem jungen Körpern
(zum Teil) kompensieren können, kann
dies für ältere Menschen fatal enden.
Exemplarstudien:
-
O’Shea [10]: Ein früherer Gewichtheber untersuchte,
wie viel Kraft er nach 24 Jahren Trainingslosigkeit mit intensiven Trainingseinheiten
entwickeln könnte. Das Ergebnis war erstaunlich. Es gelang ihm mit 60 Jahren
immer noch 240kg beim Kreuzheben, 215kg bei der Kniebeuge und 105kg beim
Bankdrücken zu stemmen. Dabei machten ihm weder seine Gelenke zu schaffen, noch
zog er sich Verletzungen zu.
-
Klitgaard [11; 12]: Man untersuchte Schwimmer, Läufer und Kraftsportler im Alter von 70 Jahren, die im
Schnitt 14 Jahre lang, 3mal die Woche
trainiert hatten und verglich sie mit „durchschnittlichen“ 28-Jährigen.
Das maximale isometrische Drehmoment (Maximalkraft) und die Muskelquerschnittfläche wurden
im CT-Scan gemessen. Die Ergebnisse der Schwimmer und Läufer waren gleich. Nur
die Kraftsportler waren gleichauf mit den 28-Jährigen. Die besten Ergebnisse erzielten die, die kurzes,
intensives, hochlastiges
Widerstandstraining machten.
-
Frontera [13]: Er und sein Team untersuchten 60 bis
72-Jährige und ließen sie 12 Wochen lang bei 80% ihres Maximalgewichts von 1 Wiederholung
trainieren. Der Trainingsumfang begrenzte sich auf die Beinmuskulatur, aber
betrug dreimal wöchentlich mit drei
Serien à 8 Wiederholungen. Die Ergebnisse zeigten eine Zunahme der dynamischen
Kraft des Oberschenkels um 107% und des
Beinbizeps um 226%.
-
Fiatarone [14]: Sein Team untersuchte 86 bis 96 Jährige
und ließ sie ebenfalls ein progressives Hypertrophie-Training (drei Serien à 8
Wdh. bei 80% der Maximalkraft) machen. Sie stellten eine Kraftzunahme von 174%,
aber eine Kraftabnahme von 32% nach Ablegung des Trainings fest. Eine Person benötigte
keine Gehstütze mehr und eine andere konnte wieder ohne fremde Hilfe aus dem Stuhl
aufstehen. Die Forscher erkannten, dass das Risiko eines Sturzes und die unschönen
Folgen der Immobilität, das geringe Verletzungsrisiko
des Krafttrainings weit in den Schatten stellt.
-
Conroy [15] erkannte in seiner Studie, dass ältere Menschen
ihre eigenen Fähigkeiten unterschätzen. Auch von deren Physiotherapeuten werden
leichtes Krafttraining und sporadische Übungen vollkommen überbewerten.
Maschine vs. Freihantel-Training
Die
Diskussion über Maschinen- und Freihantel-Training hat eine lange Geschichte.
Aber die Literatur unterstützt, dass Freihantel-Training eine übergeordnete Rolle
beim Aufbau von Kraft spielt.
Die
Nachteile der geführten Maschinen sind profund. Denn egal wie gut eine Maschine
eingestellt wird, die Drehachsen von Maschine und menschlichem Gelenk, sowie
der natürliche Bewegungsablauf der Physiologie können nie genau genug kalibriert
und nachgeahmt werden, da der Mensch individuell ist. Geführte Maschinen
übernehmen außerdem einen Großteil der Stabilisation, der Gleichgewichtshaltung
und der neuromuskulären Koordination des Menschen. Diese Aspekte werden daher
nur geringfügig trainiert; dabei sind sie von großer Bedeutung (siehe Studien).
Schließlich will man eine Last im Alltag ja auch richtig stabilisieren können.
Maddolozzo
[16]: Männer sowohl als Frauen wurden einem moderaten Maschinentraining und
intensivem, mehrgelenkigem Freihantel-Training unterzogen. Nach 6 Monaten konnte
bei den Probanden des Freihantel-Trainings eine signifikante Verbesserung der Knochendichte
an Hüfte, Wirbelsäule und Beinen festgestellt werden. Die Probanden des
moderaten Maschinentrainings wiesen keine signifikanten Verbesserungen auf.
Obwohl
sich das Training an geführten Maschinen positiv auf die Kraftentwicklung
ausübt, sind freie Gewichtsübungen auch im Alter effektiver. Der Trend des „maschinendominierten“
Trainings bei älteren Menschen, ist sowohl auf den Kenntnis- und Erfahrungsmangel der angewandten Wissenschaft früherer Tage
zurückzuführen, als auch auf die Unsicherheit und Angst vieler Trainer, mit
älteren Menschen zu arbeiten, da diese selbstverständlich ein höheres
Verletzungsrisiko aufweisen.
Um
den altersbedingten Kraftverlust zu verlangsamen oder sogar aufzuhalten, sind Übungen
an Maschinen, sowie eingelenkige Freihantelübungen ineffektiv. Nur mehrgelenkige,
funktionale, power-type Übungen erfüllen den Zweck richtig. Diese Übungen entwickeln
Kraft, neuromuskuläre Koordination, Gleichgewicht und Beweglichkeit
Kreuzheben,
Kniebeuge, Beinpresse, Bankdrücken, Rudern und Latziehen sind daher Schlüsselübungen
für das Krafttraining , da sie viele Muskelgruppen beanspruchen und eine große Ähnlichkeit
mit physischen Alltagsaufgaben haben,
wie Getränkekästen „schleppen“, Treppenstufen bewältigen, im Garten arbeiten
oder typische Reparaturarbeiten am Haus.
Kraftausdauer
Trotz
allem darf die Kraftausdauer im Training mit älteren Menschen nicht fehlen.
Hierfür eignet sich ein Zirkeltraining in Kombination mit Gymnastischen
Einheiten [59,60].
Allgemeine
Zusammenfassung:
Zahlreiche Studien haben die Vorteile eines
Krafttrainings deutlich bewiesen. Dabei empfehlen sie, mit Krafttraining so
früh wie möglich zu beginnen, freie Gewichte zu gebrauchen, eher mit hoher Intensität
als mit moderater zu trainieren und full-range
large muscle group excercises = funktionelle mehrgelenkige Übungen, zu
bevorzugen.
Referenzen
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