Mittwoch, 30. Januar 2013

Warum meine Oma power lifts macht!



Krafttraining im Alter
Die Altersverteilung in den meisten Fitnessstudios ist immer gleich. Der Freihantelbereich wird von den jungen Wilden dominiert, der Cardiobereich von den Frauen und die älteren Herrschaften ab 50 aufwärts sind, von ein paar Cardiogeräten abgesehen, ausschließlich im geführten Gerätebereich aufzufinden oder machen leichte Walking-Sessions.
Entgegen dem allgemeinen Glauben, dass ältere Menschen kein intensives Krafttraining machen sollten, belegen viele aktuelle Langzeitstudien, dass Krafttraining im Alter essentiell ist [1]. Und mit Krafttraining meine ich unteranderem auch Kreuzheben, Kniebeuge, Bankdrücken, vorgebeugtes Rudern und Latziehen.

Kraft im Alter
Die Kraft ist ein ausschlaggebender Faktor in Bezug auf Selbstständigkeit und Lebensqualität. Ohne ein entsprechendes Kraftniveaus, werden sogar Alltagsaufgaben zur Herausforderung. Oft können viele Menschen im Alter ihren Alltag ohne fremde Hilfe gar nicht mehr bewältigen.
Untersuchungen ergaben, dass sich im Alter von 30 bis 80 Jahren die Muskelkraft in Rücken, Beinen und Armen um 30-40% verringert [2; 3].
Jette und Branch [4] stellten in ihrer Studie fest, dass ab dem Alter von 74 Jahren, 28% der Männer und 66% der Frauen in den USA ein Gewicht von über 4,5 kg nicht mehr heben können.
So bitter das auch klingt, so erfreulicher ist die Nachricht, dass man mit dem richtigen Training auch im hohen Alter etwas dagegen tun kann.

„Use it or lose it“
Viele Studien (siehe Referenzen) empfehlen, diesen Satz zu einem wichtigen Bestandteil der Lebensphilosophie zu machen. Denn, was nicht beansprucht wird, baut der Körper auf ein Minimum zurück. Das gilt nicht nur für Muskeln, sondern auch für Gelenke und Knochendichte.

Knochendichte
Ab dem Alter von 50 Jahren reduziert sich die Knochendichte erheblich (Osteoporose). Eine Abnahme an Kraft und Knochendichte führt früher oder später automatisch zu Stürzen oder Verletzungen.
Studien [16, 19, 20, 21, 22] beweisen, dass das Langzeit-Widerstandstraining, der Abnahme der Knochendichte sehr gut entgegen wirkt.

Beweglichkeit
Auch die Beweglichkeit reduziert sich laut Studien [4; 5; 6] im Alter von 30 bis 70 Jahren um 20-30%. Regelmäßige physische Übungen, die Gelenke in ihrer ganzen Bewegungsamplitude (full range of motion) beanspruchen (z.B. die Kniebeuge), führen laut [8] mit der Zeit zu einer Verbesserung der Beweglichkeit. Ein Mangel an Beanspruchung führt zu Verkürzungen der Muskulatur und des Bindegewebes. Um die Beweglichkeit des Gelenks zu erhalten, empfiehlt sich ein Freihanteltraining in Kombination mit Stretching und Schwimmen.

Ungefährlich
PhD. Kent J. Adams [9] erwähnt, dass freie, mehrgelenkige Übungen wie Kreuzheben und Kniebeuge, ungefährlich für ältere Männer und Frauen sind, sofern die Technik richtig erlernt worden ist. Dennoch sollte man mit leichten Gewichten beginnen und sich dann mit der Zeit stetig aber kontrolliert steigern. Empfehlung: 3 Serien à 10 bis 12 Wiederholungen.

Fazit
Widerstandstraining ist unverzichtbar für Menschen ab 50 Jahren, die ihre unabhängige Lebensweise beibehalten möchten und eine frühzeitige Betreuung in Wohnheimen verhindern möchten.
Gerade ältere Menschen bemerken die Erfolge eines Trainings recht schnell und sind besonders dankbar, da einfachste Tätigkeiten im Alltag keine Probleme mehr bereiten.  Oft entwickeln sie eine erstaunliche Eigendynamik. Dennoch benötigen diese Personen eine sehr intensive Betreuung im Training. Wo junge Menschen fehlerhafte Übungsausführungen mit ihrem jungen Körpern (zum Teil) kompensieren können,  kann dies für ältere Menschen fatal enden.

Exemplarstudien:
-          O’Shea [10]: Ein früherer Gewichtheber untersuchte, wie viel Kraft er nach 24 Jahren Trainingslosigkeit mit intensiven Trainingseinheiten entwickeln könnte. Das Ergebnis war erstaunlich. Es gelang ihm mit 60 Jahren immer noch 240kg beim Kreuzheben, 215kg bei der Kniebeuge und 105kg beim Bankdrücken zu stemmen. Dabei machten ihm weder seine Gelenke zu schaffen, noch zog er sich Verletzungen zu.

-          Klitgaard [11; 12]: Man untersuchte  Schwimmer, Läufer und  Kraftsportler im Alter von 70 Jahren, die im Schnitt 14 Jahre lang, 3mal die Woche  trainiert hatten und verglich sie mit „durchschnittlichen“ 28-Jährigen. Das maximale isometrische Drehmoment (Maximalkraft) und die Muskelquerschnittfläche wurden im CT-Scan gemessen. Die Ergebnisse der Schwimmer und Läufer waren gleich. Nur die Kraftsportler waren gleichauf mit den 28-Jährigen.  Die besten Ergebnisse erzielten die, die kurzes, intensives, hochlastiges Widerstandstraining machten.

-          Frontera [13]: Er und sein Team untersuchten 60 bis 72-Jährige und ließen sie 12 Wochen lang bei 80% ihres Maximalgewichts von 1 Wiederholung trainieren. Der Trainingsumfang begrenzte sich auf die Beinmuskulatur, aber betrug dreimal wöchentlich  mit drei Serien à 8 Wiederholungen. Die Ergebnisse zeigten eine Zunahme der dynamischen Kraft des Oberschenkels um 107%  und des Beinbizeps um 226%.

-          Fiatarone [14]: Sein Team untersuchte 86 bis 96 Jährige und ließ sie ebenfalls ein progressives Hypertrophie-Training (drei Serien à 8 Wdh. bei 80% der Maximalkraft) machen. Sie stellten eine Kraftzunahme von 174%, aber eine Kraftabnahme von 32% nach Ablegung des Trainings fest. Eine Person benötigte keine Gehstütze mehr und eine andere konnte wieder ohne fremde Hilfe aus dem Stuhl aufstehen. Die Forscher erkannten, dass das Risiko eines Sturzes und die unschönen Folgen der  Immobilität, das geringe Verletzungsrisiko des Krafttrainings weit in den Schatten stellt.

-          Conroy [15] erkannte in seiner Studie, dass ältere Menschen ihre eigenen Fähigkeiten unterschätzen. Auch von deren Physiotherapeuten werden leichtes Krafttraining und sporadische Übungen vollkommen überbewerten.

Maschine vs. Freihantel-Training
Die Diskussion über Maschinen- und Freihantel-Training hat eine lange Geschichte. Aber die Literatur unterstützt, dass Freihantel-Training eine übergeordnete Rolle beim Aufbau von Kraft spielt. 
Die Nachteile der geführten Maschinen sind profund. Denn egal wie gut eine Maschine eingestellt wird, die Drehachsen von Maschine und menschlichem Gelenk, sowie der natürliche Bewegungsablauf der Physiologie können nie genau genug kalibriert und nachgeahmt werden, da der Mensch individuell ist. Geführte Maschinen übernehmen außerdem einen Großteil der Stabilisation, der Gleichgewichtshaltung und der neuromuskulären Koordination des Menschen. Diese Aspekte werden daher nur geringfügig trainiert; dabei sind sie von großer Bedeutung (siehe Studien). Schließlich will man eine Last im Alltag ja auch richtig stabilisieren können.
Maddolozzo [16]: Männer sowohl als Frauen wurden einem moderaten Maschinentraining und intensivem, mehrgelenkigem Freihantel-Training unterzogen. Nach 6 Monaten konnte bei den Probanden des Freihantel-Trainings eine signifikante Verbesserung der Knochendichte an Hüfte, Wirbelsäule und Beinen festgestellt werden. Die Probanden des moderaten Maschinentrainings wiesen keine signifikanten Verbesserungen auf.
Obwohl sich das Training an geführten Maschinen positiv auf die Kraftentwicklung ausübt, sind freie Gewichtsübungen auch im Alter effektiver. Der Trend des „maschinendominierten“ Trainings bei älteren Menschen, ist sowohl auf den Kenntnis- und Erfahrungsmangel  der angewandten Wissenschaft früherer Tage zurückzuführen, als auch auf die Unsicherheit und Angst vieler Trainer, mit älteren Menschen zu arbeiten, da diese selbstverständlich ein höheres Verletzungsrisiko aufweisen. 
Um den altersbedingten Kraftverlust zu verlangsamen oder sogar aufzuhalten, sind Übungen an Maschinen, sowie eingelenkige Freihantelübungen ineffektiv. Nur mehrgelenkige, funktionale, power-type Übungen erfüllen den Zweck richtig. Diese Übungen entwickeln Kraft, neuromuskuläre Koordination, Gleichgewicht und Beweglichkeit
Kreuzheben, Kniebeuge, Beinpresse, Bankdrücken, Rudern und Latziehen sind daher Schlüsselübungen für das Krafttraining , da sie viele Muskelgruppen beanspruchen und eine große Ähnlichkeit mit  physischen Alltagsaufgaben haben, wie Getränkekästen „schleppen“, Treppenstufen bewältigen, im Garten arbeiten oder typische Reparaturarbeiten am Haus.

Kraftausdauer
Trotz allem darf die Kraftausdauer im Training mit älteren Menschen nicht fehlen. Hierfür eignet sich ein Zirkeltraining in Kombination mit Gymnastischen Einheiten [59,60].

Allgemeine Zusammenfassung:
Zahlreiche Studien haben die Vorteile eines Krafttrainings deutlich bewiesen. Dabei empfehlen sie, mit Krafttraining so früh wie möglich zu beginnen, freie Gewichte zu gebrauchen, eher mit hoher Intensität als mit moderater zu trainieren und full-range large muscle group excercises = funktionelle mehrgelenkige Übungen, zu bevorzugen.


Referenzen
1.       Heyward, V.H. Advanced Fitness Assessment and Exercise Prescription. (2end ed.). Champaign, IL: Human Kinetics, 1984.
2.       Grimby, G., and B. Saltin. The aging muscle. Clin. Physiol. 3:209-218. 1983
3.       Thrash, K., and B. Kelly. Flexibility and strength training. J. Appl. Sport Sci. Res. 1(4):74-75. 1987.
4.       Jette, A.M., and L.G. Branch. The Framingham disability study: Physical disability among the aging. Am. J. Public Health. 71:1211-1216, 1981
5.       Chapman, E.A., H.A. deVries, and R. Swezey. Joint stiffness: Effects of exercise on young and old men. J. Gerontol. 27(2):218-221. 1972.
6.       Johns, R.J.,and V. Wright. Relative importance of various tissues in joint stiffness.  J. Appl. Physiol. 17:824-828. 1962.
7.       Smith, E.L. Exercise in the elderly to prolong and improve the quality in life. In: Future Directions in Exercise and Sport Science Research. J.S. Skinner, C.B. Corbin, D.M. Landers, P.E. Martin, and C.L. Wells, eds. Champaign, IL: Human Kinetics, 1989. Pp. 259-266.
8.       Hutton, R.S. Neuromuscular basis of stretching exercises. In: Strength and Power in Sport. P.V. Komi, ed. Boston, MA: Blackwell Scientific 1991. Pp. 39-63.
9.       Kent Adams, PhD. Aging: Its Effects on Strength, Power, Flexibility and Bone Density. In: National Strength & Conditioning Association Vol. 21, Numb2, pages 65-77.1999.
10.   O’Shea, J.P. Scientific Principles and Methods of Strength Fitness. Boston, MA: Addison Wesley, 1976.
11.   Klitgaard, H., A. Brunet, R. Marc, H. Monod, M. Mantoni, and B. Saltin. The aging skeletal muscle: Effect of training on muscle force and mass. Int. J. Sports Med. 10:93-94. 1989.
12.   Klitgaard, H., M. Mantoni, S. Schiaffinpo, S. Ausoni, L. Gorza, C. Laurent-Winter, P. Schnohr, and B. Saltin. Function, morphology, and protein expression of aging skeletal muscle: A cross-sectional study of elderly men with different training backgrounds. Acta Physiol. Scand. 140:41-54. 1990.
13.   Frontera, W.R., C.N. Mededith, K.P. O’Reilly, H.G. Knuttge, and W.J. Evans. Strength conditioning in older men: Skeletal muscle hypertrophy and improved function. J. Appl. Physiol. 64(3):1038-1044. 1988.
14.   Fiatarone, M.A., C.E. Marks, N.D. Ryan, C.N. Meredith, L.A. Lipsitz, and W.J. Evans. High-intensity strength training in nonagenarians: Effects on skeletal muscle. J. Am. Med. Assoc. 263(22):3029-3034. 1990.
15.   Conroy, B.P., W.J. Kraemer, C.M. Maresh, S.J. Fleck, M.H. Stone, A.C. fry, P.D. Miller, and G.P. Dalsky. Bone mineral density in elite junior Olympic weightlifters. Med. Sci. Sports Exerc. 25(10):1103-1109. 1993.
16.   Maddalozzo, G. Effects of Two Resistance Training Protocols on Insulin-Like Factors, Muscle Strength and Bone Mass in older Adults. PhD dissertation, Oregon State University, Corvallis, OR. 1998.
17.   O’Shea, J.P. The science of cross-training: theory and application for peak performance. Natl. Strength Cond. Assoc. J. 6:40-44. 1991.
18.   O’Shea, J.P. Quantum Strength and Power Training. Corvallis, OR: Patricks Books, 1996.
19.   Bassey, E.J., and S.J. Martin. Increase in femoral bone density in young women following high-impact exercise. Osteoporos. Int. 4:72-75. 1994.
20.   Chu, D.A. Jumping Into Plyometrics. Champaign, IL: Human Kinetics, 1991.
21.   Pyka, G., E.S. Lindenberger, S. Charette, and R. Marcus. Muscle strength and fiber adaptations to a year-long resistance training program in elderly men and women. J. Gerontol. 49(1)M22-M27. 1994.
22.   Snow-Harter, C., M. Bouxsein, B.T. Lewis, D.R. Carter, P. Weinstein, and R. Marcus. Effects of resistance training and encurance exercise on bone mineral status of young women: A randomized exercise intervention trail. J. Bone Miner. Es. 7:761-769. 1992.

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